Nein, ich finde weder Steve Jobs noch Bill Gates sind Gott (ich bin Agnostiker und im -somit für mich hypothetischen- Fall, dass es so was gäbe, würde der/die wohl kaum eine Brille tragen). Ich erwähne das, weil die Argumentationen um Mac vs. PC meist in der Art und Weise geführt werden, wie es religiöse Eiferer tun. Ich finde Windows nicht besser und Apple nicht schlechter als es ist. Mein erstes Apple Produkt war ein iPhone 3G und hätte es damals schon eine vernünftige Android-Alternative gegeben, wäre dies meine Wahl gewesen. Ganz einfach darum, weil mir Lobhudelei suspekt ist (und Apple ja über den grünen Klee gelobt wird) und ich offene Systeme bevorzuge. Aber jetzt bin ich im convenience-lock-in (den Vorteil, den weniger offene Systeme bieten) des iPhone gefangen. Meine Rechner waren jahrelang Windows-Rechner – ich war zufrieden damit, die konnten, was ich wollte. OK, da läuft noch ein Linux um die Musik zu streamen, aber wie Gabe Schwarzer in seinem Mac vs. PC vs. Linux über Linux sagt: „Go play with your Servers, Linux, this is grown-ups talk here“. Anmerkung: Die Migration von Suse auf Ubuntu (auch so ein über den grünen Klee gelobtes Produkt) die ich dieser Tage vornahm, benötigte unzählige Stunden mit trial/error und Forumswühlerei (stöhn).
Ich bin ein Verfechter von „form follows function“ und nicht umgekehrt. Darum stand bei mir, als musikaffinen Menschen, auch nie Harman/Kardon oder Bose rum, sondern Geräte und Boxen die gut tönten (und manchmal schrecklich aussahen). Gemach! Vor zwei Wochen habe ich mir ein Mac Book Air gekauft, weil so leicht und klein (was für mich als Stadtwanderer funktional wichtig ist) und weil man ja auch mal die andere Seite des Hages ansehen sollte, bevor man den Stab über diesen bricht. Zeit genug also für ein erstes Urteil.
Zum Vergleich:
- Bisher: Lenovo X60 Tablet (LEN) Intel Core 2 DUO 1.6GHz 3GB RAM, 80GB SSD (nachgerüstet) das Teil ist bald vier Jahre alt
- Neu: Mac Book Air 13.3“ (MBA) Intel Core 2 DUO 2.13GHz 4GB RAM, 256GB SSD
Verarbeitung
Die Verarbeitung des MBA ist schlicht umwerfend. Da klackert nichts, das Aluminium ist edel, die Spaltmasse sind klein. Da wirkt das LEN (OK schon ein paar Jahre alt) einfach minderwertiger.
Tastatur
Die Tastatur eines Lenovos ist für mich eigentlich nicht zu schlagen. Angenehme Mulden für ein Gespür, anständiger Hub. Da wirkt das MBA einfach nicht so doll, auch wenn man sich schnell an die Tastatur gewöhnt und das leise Tastaturklicken sehr angenehm ist. Sehr störend beim MBA ist, dass viele Sonderzeichen nicht angeschrieben sind, für alte Mac-Füchse wohl schon im Rückenmark programmiert, nicht so für ein Neueinsteiger. Das führt dann dazu, dass ich nach einem geschriebenen Tweet das „hashtag“ wählen möchte und mich auf youtube wiederfinde und der Tweet verloren ist. Nein, ich möchte nicht ein Menü öffnen müssen, um herauszufinden, wo sich das „hashtag“ versteckt oder die eckigen Klammern. Die Unterscheidung von <fn>, <ctrl>, <alt>, <cmd> ist alles andere als intuitiv. Dazu hat die Tastatur eine Taste für „eject“ die aber keine Funktion besitzt. Anstelle davon wäre eine „delete“-Taste nützlich. Da muss man dann erst darauf kommen, dass man dafür <fn>+<backspace> drücken muss, das erschliesst sich einem ja nicht durch die Nabelschnur. Zudem hat die Backspace-Taste keinen Beschleuniger, da schläft einem schon mal das Gesicht ein. Mir muss auch keiner mehr kommen und über den „Affengriff“ lästern. Wer copy /paste auf der Apple-Tastatur machen muss, der hat danach Knöpfe in den Sehnen, die Tasten liegen so nahe zusammen. Dabei finde ich es auch nicht einfacher, die <cmd>-Taste mit dem rechten Daumen zu bedienen. Wohl einfach nur Gewöhnungssache sind all die neuen Shortcuts. Toll am MBA sind die Cursor-Tasten, die sehr schnell zu erfühlen sind und das gefräste Alu, das weniger Dreck ins Innere leitet und halt auch für das optische Erscheinungsbild. Aus Sicht der Bedienbarkeit finde ich es nicht gelungen, die Ein/Aus-Taste über der Backspace-Taste anzusiedeln, es führt zu Fehleingaben. Die Enter-Taste ist schlicht zu klein geraten und das obschon die MBA-Tastatur breiter ist als die des LEN.
Akku
In zwei Jahren werde ich wohl die Akkus ersetzen müssen. Ich bin gespannt, ob Apple diese in Stundenfrist wird ersetzen können, denn ich werde nicht tagelang auf meinen Rechner verzichten wollen, schon gar nicht mit meinen privaten Daten darauf. Die Akkubetriebszeit ist nicht überragend, wenn man sie mit anderen Notebooks vergleicht. Dieser Vergleich ist aber nicht fair, denn es gibt kein so kleines und leichtes (vollwertiges) Notebook mit so viel Leistung und Akkubetriebszeit.
Display
Hier ist der Vergleich, sicher auch wegen des LEN-Alters, einseitig. Die Branche hat hier in vier Jahren einiges bewegt. Das Display von MBA ist toll, hell und der Wide-Screen macht alles etwas angenehmer. Aber dem Erfinder der Gloss-Displays gehört eine gescheuert, und zwar mit Anlauf (siehe „function follows form“)
Tippt man auf wackeliger Unterlage, wobbelt der Screen beim des MBA recht unangenehm, was ich bei der einfach fantastischen Dünne des Displays lieber in Kauf nehme als die – konstruktionsbedingt – eingeschränkte Neigung des Displays nach hinten.
Peripherie
MBA bietet keine Docking-Station. Das führt zum gehassten Kabelsalat am Arbeitsplatz. Ich dachte, das Problem gehöre der Vergangenheit an und sei gelöst. Irrtum, sprach der Igel, und stieg vom Kaktus und wie ich Apple einschätze wird das wohl auch so bleiben, weil sie für die Peripherie komplett auf Wireless setzten werden. Das führt dann dazu, dass die Backup-Disk, der Drucker, die Zehnertastatur und der Scanner wieder an einem USB-Hub hängen, der Strom säuft. Dafür ist der Anschluss eines zusätzlichen Screens mit dem MBA um einiges einfacher als mit dem LEN, wären da nicht die Dongels die man im Dutzend kaufen und rumschleppen muss. Generell ist das Anschliessen der Peripherie mit dem MBA jedoch recht einfach, meine Bluetooth-Maus verbindet zuverlässiger und schneller als mit dem LEN, das Aufsetzen von „Time Machine“ würde ich auch meinen Eltern zutrauen. Ganz übel finde ich, dass ich 20 Minuten brauchte um ein Internet-Tethering über Bluetooth einzurichten, mit einem iPhone 4 wohlgemerkt. Das funktionierte mit dem LEN einfacher und besser. Trotzt allem Tollen in Sachen Peripherie, zwei Dinge vermisse ich beim MBA enorm: den Trackpoint und der Fingerprint-Reader. Ich bin offenbar einer der wenigen Benutzer, die sehr gut mit dem Trackpoint umgehen können. im Gegensatz zum Trackpad muss ich mit dem Trackpoint für das Scrollen und Navigieren die Hände nicht von der Tastatur nehmen und Falscheingaben sind praktisch ausgeschlossen. Das „instant-on“ des MBA verspielt sich wegen fehlendem Fingerprint-Reader einen allfälligen Vorteil gegenüber dem LEN (Win7 mit SSD ist verdammt schnell). Gerade bei Geräten im mobilen Einsatz bin ich froh, wenn ich die Authentifizierung einhändig machen kann, das ginge beim MBA nur mit einem „asdf“-Passwort.
Funktionalität
Der Funktionsvergleicht ist ja mehr OS X vs. Win7 und dabei war meine Erwartungshaltung (siehe Lobhudelei) an OS X schlicht zu gross. Die Bedienbarkeit des MBA ist nicht wesentlich besser als die des LEN. Beispielsweise schneidet OS X im Finder (der dem File Explorer schlicht unterlegen ist) in der Anzeige die Filenamen ab. Diese können dann nur mit mouse-over (und warten) angezeigt werden. Abgeschnitten werden auch Titel von Hilfetexten, so kann ich nicht beurteilen, welchen Artikel ich denn lesen möchte. Verschiedene Funktionen erschliessen sich mir (noch?) nicht: Windows-Maximize ist nicht bildschirmfüllend (oder nur vertikal), ein Browser der im erweiterten Bildschirm füllend ist, lässt den Dock verschwinden und Anwendungen die ich schliesse, laufen im Hintergrund weiter. Welche Vorteile habe ich davon? Ich weiss es schlicht nicht. Im Gegenteil dazu erahne ich, dass mir Expose und Spaces bei intensiverer Nutzung noch gefallen werden. Zukunftsweisend erachte ich dafür die „guesture recognition“ über das Trackpad. Hier hat Apple begriffen, dass man nicht auf einen vertikal aufgestelltes Display fingern möchte und die Funktionen erschliessen sich einem schnell. Ein grosses Plus von OS X ist die Softwareinstallation und die Konfiguration. Beide sind einfach, klar und ich bekomme nur so viel Information wie nötig. Aufholen muss OS X gegenüber Win7 aber mit den Display-Funktionen wie z.B. auto-dock und gruppierten Miniaturansichten mit Vorschau.
Leistung
SSD macht den Rechner schnell; egal was für ein Rechner. Davon profitiert auch das MBA, es ist superschnell. Was das MBA besser macht, ist wie es mit der Leistung umgeht. Das Gerät wird warm, aber nicht heiss und wenn die Wärme abgeführt werden muss, rauscht der Ventilator nicht gleich wie eine Flugzeugturbine los. Filetransfers sind sehr schnell, weil da kein Virenscanner seine Finger im Spiel hat, aber das ist wohl einfach eine Frage der (Verbreitungs-)Zeit.
Design
Dazu ist wohl alles gesagt.
Fazit:
Die Diskussion Mac vs. PC ist wie wenn wir Schweizer argumentieren, wieso wir keine Deutsche sind. Wir bauschen kleine Unterschiede zu grossen auf, denn:
- Ist das MBA schneller ? Wenn ja, dann nicht dramatisch
- Ist das MBA besser? Nein, einfach anders
- Ist das MBA kleiner und leichter ? Ja!
Ja, genau darum habe ich es gekauft, weil es göttlich klein und leicht ist, mit einer Top-Performanz und genügend langer Akkubetriebsdauer. Genau das macht es einzigartig. Zu guter letzt macht das Arbeiten mit einem qualitativ hochwertigem Gerät mit gutem Design einfach mehr Spass.
PS: der HP-12 für das Dashboard ist natürlich auch ein Plus 😉
Cooler Bericht. Ich bin ja im Büro auch mit einem X60 unterwegs, das ich im Dezember mit SSD und Windows7 aufgerüstet habe. Ein richtig gutes Arbeitstier, das ich auch nicht gegen ein MBA umtauschen möchte. Hier finde ich einfach das funktionale Design und den Fingerabdruckscanner zu praktisch. Zuhause habe ich ein Plastik MacBook, das ich sehrwahrscheinlich demnächst durch ein MBA ersetzen werde. Ich bin auch der Meinung das Win7 und Mac OS X mindestens gleichwertig in der Bedienung sind. Die dauernde Umstellung zwischen Mac und PC hält übrigens meine Shortcutgedächtniss in Form.
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