Die halbe Rechnung: Wenn Kunden nicht haften bleiben.

Ich bin Motorradfahrer und weil das saugefährlich werden kann, lege ich für Sicherheitsbekleidung ordentlich Geld aus. In der Regel ist diese aus hochwertigeren Materialien hergestellt und schützt, weil sie enger sitzt und funktionaler ist, besser vor Verletzungen. Dazu kommt, wie ich meine, dass einem Kleidung, die nicht zwickt, bei der die Bewegungsfreiheit grösser ist und die besser vor Wind und Wetter schützt, weniger ablenkt.

Sicherheitsanzug, nicht zum Kauf empfohlen

Alpinestars Durban. Schön anzusehen, nach einem Jahr mit erheblichen funktionalen Mängeln

Wenn Marketing bloss kurzfristiger Absatzförderung dient, ist das nur die halbe Rechnung

Vor zwei Jahren ist mir dabei ein Anzug von Alpinestars – einem Hersteller der Top-Klasse – aufgefallen. Ich war äusserst zufrieden mit meinem BMW-Anzug, aber er war in die Jahre gekommen und der Anzug von Alpinestars wurde über den grünen Klee gelobt.  Nachdem es anfänglich schon schwer war, diesen aufzutreiben, fand ich einen Wiederverkäufer, war erstaunt, dass ich mit meiner Körpergrösse im XL eines italienischen Herstellers Platz fand und blickte, weil er mir so gefiel, grosszügig darüber hinweg, das keine Hüftprotektoren nachgerüstet werden konnten. Zudem fielen mir die kleinen Klettverschlüsse am Anzug auf, aber ich dachte, Alpinestars würde schon wissen, was sie tun. Heute weiss ich es besser.

Funktionale Mängel sind wie schlechte PR für eine Marke: Kleine Ursache, grosse Wirkung

Klettverschlüsse sind ja nur ein Detail, wenn sie aber nicht mehr funktionieren, wird es lästig. Nach einem Jahr funktionierten alle Klettverschlüsse des Anzuges nur noch magelhaft. Die Jacke liess ich auf Garantie reparieren, bei der Hose ging es ja noch so knapp. Weil ich einen Gutschein einlösen wollte, ersetzte ich meinen alten Alpinestars-Rückenprotektor durch das aktuellere Modell. Nach einem weiteren Jahr funktionieren die Klettverschlüsse der reparierten Jacke und des neuen Rückenprotektors bereits wieder nur noch mangelhaft und machen mein Motorradfahren etwas unsicherer.

Wie die Marke endgültig schaden nimmt

Ich hatte die Geschichte an Alpine-Stars geschrieben, weil ich meinte, dass es für sie schon noch wichtig zu wissen ist, wenn ihre Produkte Mängel haben und sie mich als Kunden vielleicht auch bei der Verkaufsstange halten wollten. Ein solcher Anzug kostet immerhin rund 1400 Franken und ich schaffe mir alle 5–6 Jahre einen neuen an. Ehrlich gesagt hätte ein „Sorry, tut uns leid“ oder ähnlich schon viel entspannt und eine Aussage zu den Klettverschlüssen das Vertrauen in das Produkt und die Marke wieder gestärkt. Leider funktioniert der Kundendienst von Alpinestars etwa gleich wie die Klettverschlüsse, die sie verarbeiten. Sieht auf den ersten Blick gut aus, nach etwas hin und her kommt er seiner Aufgabe aber nicht mehr nach. Es begann mit einem langen E-Mail von mir mit Video (siehe oben), das die Mängel aufzeigt. Zudem hatte ich ihnen noch meinen vereinfachten „customer lifetime value“ über zehn Jahre vorgerechnet und ihnen aufgezeigt, dass sie mich nicht nur an den Konkurrenten verlieren, sondern dieser dadurch in der Periode – ohne etwas dafür zu tun – auch noch gleich CHF1600 mehr Umsatz macht.

12. April

Schreiben an Alpinestars
«Velcros – how small parts can ruin a whole customer experience»

21. April

Ich schreibe einen Tweet an @alpinestars
«don’t you answer customer complaints at all or how long does it take in general, it’s 8 days now.»

21. April

Tweet von @alpinestars
«Sorry we missed your message are you sending your request to talk-to-us@alpinestars.com

21. April

Tweet an @alpinestars
«yes, on Apr 12»

21. April

Tweet great, can you send us a direct message with your info so we can make sure that we follow-up. Thanks. (warum einfach, wenn es auch kompliziert geht)

21. April

DM mit Hinweis auf die Mail 

21. April

Schicke E-Mail nochmals an talk-to-us@alpinestars.com

22. April

E-Mail von Alpinestars
«..Could you please let us know where you are writing from so we can forward your query to the Alpinestars Product Support Department closest to you?…» (N.B.: Es stand im Mail, dass ich aus der Schweiz komme)

22. April

Ich antworte und schreibe auch noch den Wohnort hin

23. April

E-Mail von Alpinestars:
«..Thank you for your email, we have forwarded it to the proper department who will contact you shortly…»

Nachtrag: 19. Mai

E-Mail von Alpinestars:
Per Mail nachgefasst – unbeantwortet

Nachtrag: 30. Mai

E-Mail von Alpinestars:
zugegeben etwas provokativen Tweet verfasst: «yet another week with no answer from regional services of @alpinestars (and no dear SoMe-Team, it’s not you) #badvelcros #badproduct»

Nachtrag: 30. Mai

E-Mail von Alpinestars:
Mal noch ne Message auf Facebook geschrieben. Ich kann mir ja vorstellen, was folgt, aber man weiss ja nie, ob das Social-Media-Team den Customer Service noch rausreisst.

Ihr könnt euch vorstellen, wo ich heute stehe. Bis heute hat sich Alpinestars nicht mehr gemeldet.

Was läuft hier falsch

Hier die aus meiner Sicht schwerwiegendsten Fehler.

Fehler 1: Fokus auf dem Prozess nicht auf dem Kunden

Das Weiterleiten des Kunden an die Region hat nicht funktioniert. E-Mail scheint im Kundendienst einen anderen Prozess zu haben als der Kundendienst über soziale Netzwerke. Ich bin mir sicher, dass das erste Service-Ziel bei Alpinestars‘ First-Level-Support für soziale Netzwerke die Reaktionszeit ist. Das ist zwar gut, aber an erste Stelle sollte stehen, ob dem Kunden geholfen werden konnte. Dank dem Hype um soziale Netzwerke im Kundendienst, gibt es dort im Gegensatz zum Kontakt über E-Mail wenigsten eine Reaktion in angemessener Zeit

Fehler 2: Der Case sollte erst geschlossen werden, wenn der Kunde das sagt, nicht, wenn die heisse Kartoffel weitergeschoben wurde

Als Kunde stehe ich im Regen, ich muss nochmals nachfassen. Ergebnis, ich werde meine Hände von Alpinestars lassen und meinen Kollegen dasselbe raten.

Fehler 3: Verkauf wird höher bewertet als Wiederverkauf. Es wird kein Customer Lifetime Value berechnet. Marketing dient ausschliesslich als  kurzfristige Verkaufsförderung, nicht der langfristigen Markenpflege.  Was macht den Mehrwert von Alpinestars aus? Gutes Design, auf den ersten Blick funktionale Kleidung. gutes emotionales Aufladen der Marke. Aber was nützt  das, wenn man meine Erfahrung macht? Nur dem kurzfristigen Absatz.

Letztlich verhält es sich mit Motorradkleidung wie mit Marken. Wir mögen solche lieber, die nicht zwicken, an ihnen bleiben wir länger haften und sind auch bereit, einen Mehrpreis zu bezahlen.

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2 Kommentare zu “Die halbe Rechnung: Wenn Kunden nicht haften bleiben.

  1. Pingback: Der Kunde im Zentrum | The life according to Slartbart

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