It’s about time – not

timeApple hat eine Uhr auf den Markt gebracht. Es wurde deshalb viel über Uhren gesprochen, viel über den Einfluss, aber wenig über Märkte. Darum meine ich:

  1. Geht die Schweizer Uhrenindustrie vor die Hunde? Nein
  2. Wird die Apple Watch ein Erfolg? Ja, in USA und Europa
  3. Ist die Apple Watch ein disruptives Produkt? Nicht die Bohne!

Aber von vorne:

„In welchem Markt sind Sie tätig?“

Das fragte mein Lehrer jeweils. Die Frage schien trivial zu beantworten zu sein. Doch aus dem Café-Markt wurde schnell ein „Daheim aber anderswo“-Markt bei Starbucks oder eben aus dem Uhrenmarkt ein Zeitanzeige-Markt. Das kann man als akademisch abtun, aber wenn man herausfinden möchte, wer einem konkurrenziert, dann ist das essenziell, diese Nuancen zu kennen. Denn was hat das Flugzeug mehr konkurrenziert? Der Zug oder die Telefonkonferenz?

Wer ist heute im Zeitanzeigemarkt führend? Wohl die Mobiltefone und auch noch die Uhren.

Welchen Markt greift den die Apple Watch an? Den Markt um Quantified-Self-Produkte (oder von mir aus der Ich-will-das-Logfile-von-mir-Markt) und den Markt für mobiles Zahlen. Die Anzeige der Zeit ist ein nettes Nebenprodukt wie das Telefonieren eines ist, seit Apple mit dem iPhone gezeigt hat, dass der Markt kein Telefoniemarkt mehr ist, sondern ein unterwegs-das-Internet-nutzen-Markt.

Geht die Schweizer Uhrenindustrie zugrunde?

Absatz vs. Umsatz. Das soll Apple zum Einstürzen bringen? Ich glaube nicht. Bild aus „W The Journal“

Nein, denn die Apple Watch bedient die oben genannten Märkte, die teuren Schweizer Uhren den Markt für gehobenen Lifestyle, bei der aktuellen Zinsituation vielleicht sogar den Anlagenmarkt.

Schwierig wird es für diejenigen, die etwas hübsch die Zeit anzeigen möchten, die Gadgets für Quantified-Self und für all die nerdy-Techkram-Zeitanzeiger. Am stärksten ist gefährdet, wer z.B. ein Golf-GPS für ans Handgelenk bietet, oder Pulsuhren, oder Uhren im Preissegment von 100 – 500 Franken. Eine Swatch kostet 180 Franken, die iWatch 350, eine Omega Speedmaster 4000. Wäre ich Fossil, Garmin, Casio, Seiko, Suunto und wie sie alle heissen, dann würde ich mir schon mal den Muff ausmotten oder das Katzenfell.

Guckt man sich den Absatzmarkt der Schweizer Uhren an (siehe Studie Credit Suisse), und überlegt sich, wo denn die Apple Watch so hinzielt, gibt es wenig Überdeckung. Der Anteil an Exporten nach USA geht schon seit Jahren zurück wie in fast gleichem Masse der Export nach Hongkong ansteigt. Klar Export heiss noch nicht, dass auch in denselben Markt abgesetzt wird, aber ein gutes Indiz ist es dennoch.

Ein weiterer Aspekt, der aufzeigt, wo die Entwicklung des Schweizer Uhrenmarktes stattfindet, ist der Anteil mechanischer Uhren. In den letzten Jahren ist dieser auf fast 25% angestiegen. Ein Käufer einer solchen Uhr würde die Apple Watch kaum als Substitut ansehen, sondern als Komplementärgut.

Und Swatch?

Hauptabnehmer für Kleinuhren aus der Schweiz ist China, mit fast 30%. Werden diese Kleinuhren dort von der Apple Watch, also einem Produkt aus der USA verdrängt werden? Ich habe so meine Zweifel, wenn ich mir die weltpolitische Lage so überlege. USA, Japan, Europa VAE wird wohl der Hauptabsatzmarkt der Apple Watch sein.

Zugegeben: Ich weiss (immer noch) nicht, wieso Swatch so gut funktioniert. Wohl, weil sie im Accessoire-Markt tätig sind und darum wird Swatch wohl auch nur indirekt von der Apple Watch konkurrenziert werden. Ein weiterer meiner Gedanken zur Konkurrenzsituation: Ich kenne niemanden in meinem Freundeskreis, der heute eine Swatch kauft/trägt, aber einige, die wohl bald mit einer Apple Watch am Handgelenk rumlaufen werden

 Die Position am Markt ist entscheidend (einmal mehr)

Man kann es nur gebetsmühlenartig wiederholen. Wer sich ausschliesslich tief hängenden Früchten widmet oder sonst etwas im Markt rumeiert, wer also seine Position im Markt noch nicht gefunden hat, sollte schnell eine Lösung finden, das Zeitfenster schliesst sich wegen der Apple Watch rasant. Gleiches gilt, wer mit einem „wearable“-Produkt sein Stammgeschäft erweiterte.

Apple, ein proprietäres System mit geschlossener Markt – Reichweite limitert

Ich kann mir gut vorstellen, dass die Apple Watch in USA und Europa einen guten Erfolgt erzielen kann, da aber mit beschränkter Reichweite.

Apple schafft dank der starken Markenabhängigkeit ihrer Käufer, was sich andere nur wünschen können. Darum schafft es Apple auch fast immer, die kritische Hürde für ein Produkt zu nehmen, weil ihnen die Appelisten alles aus den Händen reissen, was sie bauen, egal wie gut dass das ist. Davon können Google und Microsoft genauso träumen, wie all die Crowd-Funded-Startups.

Das Problem ist, dass Apple durch die Proprietärität ihrer System in der Reichweite begrenzt ist. Das hat sich beim iPhone gezeigt, das rasant in den Markt der Smartphones einfiel und in horrender Geschwindigkeit Marktanteile gewann. Aber seit Jahren verharrt Apple auf einem Marktanteil von 15-20 Prozent. Ein grossartiger Wert, ohne Frage, aber eben nicht ausbaufähig. Sollte sich also Apple mit seiner Uhr im Quantified-Self-Markt der USA und Europa 20 Prozent sichern, wird das der Schweizer Uhrenindustrie wohl nicht weh tun, ganz im Gegensatz zum Fuelband, Jawbone, etc.

Die Gefahr liegt dort, wo keine Bewegung ist

Aus all den genannten Gründen meine ich, dass die Apple Watch den Zeitanzeigemarkt nicht einbrechen lassen wird. Es ist schlicht eine andere Situation als bei der Lancierung des iPhones, denn wenige sahen das Telefon als Lifestyle-Produkt vergleichbar mit einer Uhr mit mehreren Tausend Franken Wert,  noch wenigere als Wertanlage . All meinem Abwiegeln zum Trotz wird die Schweizer Uhrenindustrie gut daran tun, die Apple Watch nicht mit einem Lächeln abzutun. Denn zu wissen, in welchem Markt man tätig ist und eine klare Position darin zu finden, wird durch das neue Gadget von Apple umso wichtiger werden.

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In den saueren Apfel gebissen

Foto: Alexander von Harlem / Barockschloss by Creative Commons

Apple ist ja bei uns Marketeers Inbegriff für das Gute, wie man es machen soll, etc. und in der Tat ist es beeindruckend, wie konsequent die Markenführung durchgezogen wird. Ein süsser Apfel, feiner Gala oder so. Das können sie auch, weil so viel von der Wertschöpfungskette unter Kontrolle haben, wie kaum eine andere vergleichbare Marke. Zudem sind sie — erstaunlicherweise, denn das wird ja in jeder Marketingausbildung auf- und abgepredigt — Vorreiter darin, Dinge nicht zu predigen, sondern zu tun. Hier eine Auswahl als Beispiel:

  • Die Verpackung ist Teil des Produkts (man traut sich kaum, die Schachtel fortzuwerfen oder für was Anderes zu verwenden)
  • Die Verpackungen sind beduftet (genau so, dass man es nicht bewusst wahrnimmt, aber so, das bestimmt kein Paket je stinkt)
  • Die Stores sind Erlebnisorte und keine primären Verkaufsorte. Ich kann die Marke inszeniert erleben
  • Klang ist Teil des Markenerlebnisses

Darum erstaunt es, dass an anderen Orten riesige Lücken klaffen. Zum Beispiel die unsägliche Sprachwahl, die bei Thomas Lang schon zum Running-Gag wird:

Oder einem Auftritt in Sozialen Netzwerken, den sich wohl Coop von Apple abgeguckt hat.
Aber es gibt noch viel Schlimmeres, nämlich wenn man ein Software-Problem hat.

Das Problem

Episode 1

Ich habe ein MacBookAir von 2010, das hatte ich mit vorinstallierter Software iWorks gekauft. Blöderweise stürzte Keynote immer wieder ab.  Also bin ich flugs in den AppStore und habe mir Keynote nochmals runtergeladen. Dafür wurde mir dann 20 Franken in Rechnung gestellt.

Episode 2

Nach der Installation von Mavericks meint iPhoto — mit dem ich nota bene alle meine Fotos verwalte — es könne unter dieser OSX-Version nicht mehr geöffnet werden. Mir wurde der Eingang zum Paradies verwehrt.

Apples Kundendienst, der Biss in den sauren Apfel

Episode 1

Ich schrieb ein Mail, über den Kontakt, der einem beim Softwarekauf angegeben wird und teilte alle Informationen die ich dazu hatte (ich grub dazu meinen alten Kaufbeleg wieder aus) und sagte, dass ich die Software darum nicht bezahlen wolle. Die Antwort — inklusive persönliche Vorstellung des Kundendienst-Mitarbeiters— meinte, ich solle die Software doch künftig nochmals von der DVD laden, die 20 Franken würden sie mir ausnahmsweise gutschreiben. Ich sah den erhobenen Zeigefinger der Formulierung  vor meinem geistigen Auge.

Episode 2

Ich schreibe zurück, dass die Software eben vorinstalliert  war und ich darum keine DVD habe und auch wenn ich hätte, nichts damit anzustellen wüsste, weil das MacBookAir ja kein DVD-Laufwerk besitze.  Ein neuer Kontakt — inklusive Persönlicher Vorstellung — Begriff dann das Problem, meinte ich solle die Software doch vom AppStore unter „Einkäufe“ runterladen. Ich beschied ihm, dass ich die Software dort eben nicht aufgelistet sehe,  wohl weil die Software auf meinen Rechner kam, bevor es einen AppStore für OSX gab. Da könne er mir nicht weiterhelfen, ich solle mich beim Support melden.

Da hatte ich schon genug und wollte aufgeben, als aber nach der Installation von Mavericks auch iPhoto — du ahnst es, auch vorinstalliert — nicht mehr starten wollte, erhöhte sich mein Blutdruck wieder.

 Episode 3

Ich hangelte mich also durch die Website, fand nix, wo man sich über die Software beklagen konnte, wählte „Anderes“ (oder ähnlich) und landete auf der Website für Deutschland. Ich probierte das noch ein paar Mal und schaffte es letztlich zum Support für die Schweiz zu gelangen, wo geschrieben stand, dass ich natürlich keinen Service-Anspruch habe und ein Fall so gegen 70 Franken koste. Ich wählte die „Ausnahmesituation“-Option und wählte Chat, der funktionierte aber trotz mehreren Anläufen nicht, weshalb ich einen Rückruf anforderte. Der klappte auch. Der Herr — inklusiver persönlicher Vorstellung —  erfasste das Problem, erfasste aber auch, dass er mir nicht helfen konnte, er habe den Fall aber erfasst und hinterlegt, damit ich ihn nicht nochmals erzählen müsse (du ahnt es).  Er meinte auch noch, dass das neue iWorks neu lizensiert/gekauft werden müsse, aber bei Neukäufen ab 1. Oktober gratis sei, ich solle mir also quasi ein neues Notebook kaufen (haste Worte!). Da ich dafür keinen Grund sah und ich darauf bestand, dass ich meine Software, die nicht abgekündigt ist, weiter verwenden wolle, kamen wir weiter, jedoch nicht sehr weit. Da wegen Mavericks  seine Kontakte nicht erreichbar seien, Telefonsystem überlastet, und ich insgesamt schon gegen eine Stunde in der Warteschleife war, meinte er ich solle den After Sales anrufen. Übrigens: Die Musik  Der akkustische Raumspray (© Wiglaf Droste) in der Warteschleife tönte wie früher aus dem Kofferradio auf der Gotthardstrecke, im Kehrtunnel.

Episode 4

Ich rief also den After-Sales-Support an und merkte, dass da nix war mit direkt einwählen wie versprochen, sondern ich mich zuerst mit einem Nummernautomaten begnügen musste. Da nix für Software dabei war, landete ich bei allem anderen. Der Herr — der sich freundlich vorstellte — meinte aber, ich sei bei ihm falsch, hier sei iPad, ich winselte lautlos. Er konnte mich aber mit dem richtigen Ort verbinden. Nach „Musik“, begrüsste mich eine Frau — die sich freundlich vorstellte — und mich erst mal fragte worum es ging. Da war sie wieder, meine Geschichte, die hinterlegt sein sollte. Ich erzählte die Geschichte erneut —so muss sich ein Komiker auf der Bühne fühlen, überhaupt nicht komisch. Die Frau merkte mir meine Mürrigkeit an (das Schaffen Männer nie so gut) und ich deeskalierte gleich, als ich dies wiederum bemerkte. Sie wolle kurz abklären und gebe mir in der Zwischenzeit etwas Musik auf meine Lauscher. Ich konnte mir einen Lacher nicht verkneifen. Lange Warteschleife, kurzer Sinn: Sie konnte mir nicht helfen, kam auch nicht durch und wollte mir eine weitere Berieselung durch Kakkofonie ersparen (danke!). Man werde mir zurückrufen.

Episode 5

Wie immer, wenn du ’ner Frau deine Telefonnummer gibst und sie um einen Rückruf bittest, bleibt dieser dann aus ;-). 

Fazit

Apple-Mitarbeiter sind zwar immer freundlich, sie haben aber null Handlungsspielraum. Wenn der Kundendienst jedoch nicht mehr Handlungsspielraum hat, als ein strukturiertes Formular auf der Website, ist er schlicht überflüssig. Bedenkt man die Kosten der von mir gekauften Software und diejenige der Hotline, welche ich  für mindestens 2h (bisher, das Problem ist ja noch nicht gelöst) beschäftigte, wäre es einfacher gewesen mir einfach ne neue Lizenz im AppStore zu vergeben. Schliesslich habe ich die Software ja schon mal gekauft.

Das Kundenerlebnis ist grauenhaft: Die Musik ist schlimm — hatten wir. Man will alles verrechnen — hatten wir. Man will was Neues verkaufen, statt das Problem lösen — hatten wir. Aber wie man wie eine heisse Kartoffel rumgereicht wird, weil jeder nur bestrebt ist, das Problem von seinem Tisch zu haben und quasi darauf hofft, dass der Kunde dann einfach aufgibt und was Neues kauft, das habe ich noch so nie erlebt. Man stelle sich den Sturm der Entrüstung vor, wenn das bei Swisscom oder UPC Cablecom geschehen würde.

Wann begreifen Firmen endlich, dass ein guter Kundendienst zwar nicht beim Kaufentscheid hilft, aber dafür umso mehr bei der Kundenbindung. Da Apple aber nicht auf Sozialen Netzwerken mithört und somit sicher nicht lesen wird, passiert da auch nichts. Die Prinzessin auf dem Apfel. Selbst wenn sie diesen Artikel per Zufall doch noch sehen würden, wäre das Apple wohl egal, denn sie wissen genau, dass sie einem mit ihren Produkten und Services so im Bannstrahl ihres Universums (Lock-in) haben, dass man daraus fast nicht mehr entrinnen kann.

Ob ich bei all dem wieder ein Apple Notebook kaufen werde? Ich weiss nicht, vermutlich schon, die Produkte sind, wenn sie funktionieren ja wirklich dolle, aber ich werde diese Episode beim Kaufentscheid sicher nicht vergessen. Wer beisst schon gern zwei Mal in denselben sauren, faulen Apfel.