Neben all den gewollten Aktivitäten entdeckt man währen der Auszeit neue und bewährte Handlungsmuster:
- solche, die sich durch das Mehr an Zeit ergeben
- solche, die durch Spass oder Nutzen getrieben sind
- solche, die offenbar irgendwo in mir schon konditioniert waren
Ergibt sich einfach so
- Man ertappt sich tatsächlich dabei, dass man am Samstag im Laden steht, oder abends um 18Uhr.
- Man lässt anderen Menschen den Vortritt, mit den Worten „ich habe Zeit“
- Man geht um 11h ins Café um Zeitung zu lesen
- Man liest generell mehr Zeitung aber immer noch zu wenig
- Man kann sich einen 9-Uhr-Pass kaufen
- Mehr Vereinsaktivitäten
- Man gibt alten Resten eine Chance 😉
Ergibt sich durch Spass oder Nutzen
Das Einkaufsverhalten verändert sich. Man kauft auf einmal Familienpackungen (z.B. Orangesaft), Aktionen (zwei für eins) und probiert das Stück Käse, das Praliné, das sie einem zur Verkaufsförderung vor die Nase halten.
Man nimmt sich Zeit sein Recht einzufordern
Man kennt das ja, irgend wer macht einem das Leben schwer und man mag am Abend nach einem Arbeitstag nicht auch noch um sein Recht kämpfen und sowieso, der Kundendienst hat ja bereits geschlossen und auf Webformulare bekommt man auch keine Antwort. Kaum hat man Zeit, sieht das aber anders aus. In meinem Fall musste ich mit einem Autovermieter kämpfen, der mir einfach so den Parkschaden abbuchte, obschon der Verursacher bekannt und Zeugen genannt waren (zugegeben ein vertrackter Fall mit vielen Parteien, buchfüllend). Ich habe bestimmt gegen drei Tage aufgewendet um das Geld (immerhin 1200 Mücken) wieder zu bekommen.
Das ist nur ein Beispiel aus vielen; so hatte ich beispielsweise auch erfolgreich gegen eine Versicherungseinschränkung opponiert und bei Amazon angefragt, ob mir ein irrtümlich heruntergeladenes E-Book rückerstattet wird (merci Amazon, find ich nicht selbstverständlich, war mein Fehler).
Weil man es hat
Man hat Zeit Preisvergleiche zu erstellen, genauer zu lesen auf was man sich einlässt, oder einfach mit den verwirrten Menschen eine halbe Stunde zu tratschen (ja, genau, die, welche einem schräg anquatschen, wenn man gerade der gemeinen Alltagshetze nacheilt und die man darum im Normalfall verbal abwatscht). Dabei ist es – manchmal – erstaunlich, was man so über ein anderes Leben erfährt, das so gar nicht das eigene ist.
Konditionierung
Brandbeschleuniger
Da man auch mehr auf Websites surft, an Läden vorbei geht und einfach mehr von der wirtschaftlichen Umwelt mitbekommt, würden sich einhergehend auch die Impulskäufe vermehren. Das wäre ja förmlich Brandbeschleuniger für die auferlegte Burn-Rate. Zumindest zu Beginn der Auszeit musste ich diesen Reflex bewusst unterdrücken.
„Sag du“
Bei Terminvereinbarungen gibt es ja das schöne hin und her, wer jetzt mit Termin und Ort rausrückt. Das Terminliche entfällt in der Auszeit fast komplett, dabei fiel mir auf, welchen Widerstand ich zu Beginn spürte, als ich jeweils sagte „Sag du, ich habe Zeit“. Kam mir erst fast unhöflich vor, bis ich merkte, dass das früher wohl immer wie selbstverständlich an mir hängen blieb, das werde ich wohl auch aus der Auszeit mitnehmen.
Rubel, rollt
Ausser bei lausiger Leistung gebe ich gerne und oft Trinkgeld; ich erachte das auch als kleinen Sozialtransfer gegen die meist tiefen Servicelöhne (ok, in Zürich ist dann auch der Service vielfach dementsprechend). Obwohl dieser Sozialtransfer bei null Einkommen eigentlich keinen Sinn macht, habe ich trotzdem daran festgehalten, eine Konditionierung die offenbar nicht so schnell zu überwinden ist.
Was ich trotzdem nicht gemacht habe
- Stundenlang vor Baustellen gestanden und gefachsimpelt
- Alle Tomaten prüfend gedrückt, bevor ich meine Auswahl in den Sack steckte
- Sinnlos gewettert
- Mit dem Spazierstock auf jemanden gezeigt
- Mich auf Hochzeiten oder sonstigen Partys eingeschlichen
- Im ÖV die jüngeren Menschen zum Aufstehen aufgefordert
- Meinen Müll in öffentlichen Kübeln entsorgt
- Das Gipfeli in den Kaffee getunkt
- u.v.m.
Rentnerleben – 7 – Was da sonst noch war und Resozialisierung
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